der Potsdamer Kinder- und Jugendhilfe zu den
Kürzungsvorhaben der Landeshauptstadt Potsdam
In diesem Positionspapier stellt das Bündnis „potenzialFUERpotsdam – Gegen Kürzungen in der Kinder
und Jugendhilfe, Kultur und Soziales“ die Auswirkungen der vorgeschlagenen Kürzungen für die Kinder,
Jugendlichen und Familien in Potsdam exemplarisch dar.
Wir laden die Stadtverordneten der Fraktionen am 08.01.2025, 15.30 Uhr zu einem Austausch mit
dem Bündnis „potenzialFUERpotsdam“ in die Cafeteria, Edisonallee 5 - 9 ein.
Unsere Forderungen:
Wir fordern die Stadtverordneten und die Verwaltung auf, alle Kürzungsvorschläge im Bereich der
Kinder- und Jugendhilfe von der sogenannten „Potenzialliste“ zu streichen. Diese Potenzialliste ist in
Wahrheit eine Kürzungsliste, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen
in Potsdam hat.
Anstatt wahllose - fachlich nicht begründbare - Kürzungsvorschläge zu unterbreiten, fordern wir die
Landeshauptstadt Potsdam auf, ihrem gesetzlichen Auftrag einer umfassenden Jugendhilfeplanung
aus dem Brandenburgischen Kinder- und Jugendgesetz nachzukommen. Darin sind unter anderem der
finanzielle Bedarf und die dafür vorgesehenen Aufwendungen für Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit
und Schulsozialarbeit, erzieherischer Kinder- und Jugendschutz und Jugendmedienschutz auszuweisen
(vgl. § 57 Abs. 1 und Abs. 5 BbgKJG und § 60 Abs 2 BbgKJG).
Als zertifizierte kinderfreundliche Kommune hat sich Potsdam darüber hinaus dazu verpflichtet, dass
die UN-Kinderrechte im täglichen Handeln von Politik und Verwaltung geachtet werden. Das bedeutet
konkret: Wenn Entscheidungen der Verwaltung einen Einfluss auf das Leben von Kindern und
Jugendlichen haben, wird den Interessen von Kindern und Jugendlichen im Abwägungsprozess stets
Vorrang eingeräumt. Die Verwaltung sichert dies in entsprechenden Verfahren und Regelungen
nachhaltig ab.
Die Landeshauptstadt Potsdam verstößt gegen geltendes Brandenburger Landesrecht und gegen die eigene Selbstverpflichtung als kinderfreundliche Kommune, wenn Entscheidungen, die die
Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen betreffen, aus rein monetären
Erwägungen getroffen werden!
Was bedeuten die Kürzungen für junge Menschen und ihre Familien in Potsdam konkret?
Die Kinder- und Jugendarbeit übernimmt wichtige präventive Aufgaben, stellt Schutzräume bereit,
unterstützt Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung, ermöglicht die Erfahrung von
Selbstwirksamkeit und übernimmt nicht zuletzt die für die Gesamtgesellschaft so wichtige Aufgabe der
(Demokratie-)Bildung.
Wir stellen im Folgenden die Auswirkungen der einzelnen Kürzungsvorschläge dar.
Liste Nr. 6-11 Kürzungen kostenfreies Frühstück an Schulen, Schulessen
Sollten die Kürzungen umgesetzt werden, wird an einer besonders vulnerablen Gruppe - den
Potsdamer Kinder und Jugendlichen - gespart. Kinder und Jugendliche waren von der Pandemie und
den Eindämmungsmaßnahmen übermäßig betroffen und haben hierbei Verantwortung getragen für
die älteren Generationen. Die Kürzungen treffen sie und ihre Familien in einer Situation, die durch
hohe Mieten, hohe Lebenshaltungskosten, Krisen und Zukunftsängste geprägt ist. Schon jetzt
begegnen uns im Vormittags- und Nachmittagsbereich hungrige Kinder und Jugendliche, deren
Familien grundlegende Aufgaben der Verpflegung nicht gestemmt bekommen. Die Einrichtungen der
Kinder- und Jugendarbeit übernehmen bereits heute ohne Kostenübernahmen durch die LHP die
Verpflegung. Diese Situation wird sich durch die angedrohten Sparmaßnahmen beim Schulessen
weiter dramatisch verschärfen. Die Kostenübernahme des Schulessens über Bildung- und Teilhabe-
Anträge (BuT-Anträge) zu gewährleisten, ist bereits seit Jahren schwierig. Durch den immensen
Bearbeitungsstau müssen die Familien in Vorkasse gehen, was für viele unmöglich ist. Vor allem trifft
die Abschaffung der Kostenübernahme des Schulessens bei Härtefällen die Kinder und Jugendlichen,
die am Existenzminimum leben, aber keinen Anspruch auf Transferleistungen und somit auf BuT haben,
besonders stark.
Liste Nr. 26-29 Kürzungen Projektförderung Kinder- und Jugendarbeit
Es droht die Reduzierung (im Fall der Nullrunde) und das Wegbrechen (im Fall der 20%-Kürzung) ganzer
Projekte, die durch Kinder in den Ferien und im Nachmittagsbereich wahrgenommen werden. Die
Kürzungsliste ignoriert, dass im Bereich der Projektförderungen bereits in den vergangenen Jahren
massive Kürzungen stattgefunden haben. Besonders betroffen sind auch hier Kinder und Jugendliche
aus sozioökonomisch benachteiligten Hintergründen, die auf kostenfreie pädagogische Angebote
angewiesen sind. Die Nennung des Kinder- und Jugendtelefons ist besonders hervorzuheben, da es sich hierbei um ein niedrigschwelliges, großteils ehrenamtlich getragenes, Angebot handelt, bei
dem Kinder und Jugendliche in Krisen barrierearm und unkompliziert Ansprechpartner:innen
erreichen, die sofort Entlastung und Hilfestellung bieten können. Auch die Weiterführung des
großartigen Ferienprojekts „Stadt der Kinder“ im Stadtteil Schlaatz, in dem Kinder und Jugendliche
wichtige Lernerfahrungen machen und sich selbst einen Freiraum schaffen können, ist damit akut
bedroht.
Liste Nr. 30 Kürzungen Hilfen zur Erziehung
Ambulant vor stationär ist ein Grundsatz der Hilfen zur Erziehung. Dieser Anspruch wird hier allerdings
konterkariert, wenn proaktive, präventive und ambulante Angebote der Kinder- und Jugendhilfe
unzureichend finanziert oder gar gestrichen werden sollen. In ambulanten Angeboten, vor allem bei
den Erziehungs- und Familienberatungen der LHP ist inzwischen allerorts eine Warteliste Normalität.
Die ambulanten Angebote sind zunehmend mit „Multiproblemfällen“ beschäftigt, für die diese
Maßnahmen unzureichend ausgestattet sind. Die aus fachlicher Sicht notwendige Verweisung in
klinische, psychiatrische oder therapeutische Angebote ist aufgrund langer Wartezeiten unzureichend
möglich und bindet Ressourcen an “falscher“ Stelle. Im Bereich der stationären Jugendhilfe fehlen
bereits jetzt notwendige Platzkapazitäten. Häufig fehlt schlicht finanzierbarer Wohnraum für den
Übergang von jungen Menschen aus den stationären Einrichtungen. Auch aufgrund dieser
frustrierenden Bedingungen sind die Erhaltung und Gewinnung von Fachkräften schwierige
Herausforderungen.
Die Bemühungen zur Reduzierung des bürokratischen Aufwandes seitens der Verwaltung in den Hilfen
zur Erziehung muss berücksichtigen, dass die Voraussetzungen zur Ausübung des staatlichen
Wächteramtes und die fachliche Steuerung durch das Jugendamt jederzeit sicher gestellt sind.
Liste Nr. 37 Kürzungen Schulsozialarbeit und Zusammenarbeit Schule-Jugendhilfe
In der Verschränkung von Jugendhilfe und Schule arbeitet das Angebot der Schulsozialarbeit, das einen
wichtigen Knotenpunkt im Kontext der Beratung und Prävention im Schulsetting bietet. Auch die
Schulsozialarbeit ist an jeder Schule mittlerweile mit hochkomplexen „Multiproblemfällen“
beschäftigt. Aufgrund der bereits zuvor erwähnten fehlenden Kapazitäten angrenzender Hilfesysteme,
den nach wie vor massiven Auswirkungen der Coronazeit und der allgemeinen krisenbehafteten
gesamtgesellschaftlichen Situation, stößt Schulsozialarbeit bereits jetzt an Grenzen.
Die Schulsozialarbeiter:innen begleiten Schüler:innen in ihrem Alltag: sie geben Beratung und
Hilfestellung, vermitteln ins Hilfesystem und stoßen präventive Projekte an. Im Kontext des hohen
Bedarfs an diesen Angeboten für Schüler:innen ist der Vorschlag der Begrenzung des weiteren Ausbaus
ebenfalls ein falsches Signal, was nicht zuletzt auf dem Rücken der Schüler:innen ausgetragen wird.
In diesem Kontext sei auch auf das erfolgreiche Förderprogramm PLuS verwiesen. Dieses Programm
ist im vorauseilenden Gehorsam einfach nicht mehr für den Haushalt 2025 eingestellt worden, obwohl
dazu SVV-Beschlüsse und zahlreiche Befassungen im JHA vorliegen. Im Rahmen von PLuS wurden im
vergangenen Schuljahr in den Potsdamer Schulen mehrere hundert Projekttage mit präventiven
Angeboten im Bereich der Gewaltprävention, Bewegung, Suchtprävention, Demokratiebildung,
Umweltbildung, Medienbildung, sexueller Gesundheit etc. durchgeführt, die nun ersatzlos wegfallen.
Hier entsteht eine Lücke, die durch kein anderes Angebot zu ersetzen ist und die eine dramatische
Leerstelle in der Projektarbeit im Schulsetting hinterlässt.
Liste Nr. 38 Kürzung offene Kinder- und Jugendarbeit
Unter Steuerung der Jugendclubs verbirgt sich die Schließung von bis zu vier Einrichtungen. Kriterien
für die Auswahl werden hierbei nicht benannt. Auch hier wird ignoriert, dass die die Finanzierung seit
13 Jahren(!) nicht angepasst wurden und die Jugendfreizeiteinrichtungen damit bereits seit Jahren Einsparungen vornehmen müssen. Die Potsdamer Kinder- und Jugendclubs spielen eine maßgebliche
Rolle in der Bereitstellung von pädagogisch begleiteten Räumen, in denen Kinder und Jugendliche
einfach sein können. Sie bieten Beratung und Bildung an und führen Projekte mit Kindern und
Jugendlichen durch. Je nach Sozialraum übernehmen die Clubs unterschiedliche wichtige
Schnittstellenfunktionen und sind für die sozialraumorientierte Jugendarbeit unverzichtbar. Vor allem
in Hinblick auf die zunehmende Verdichtung im Potsdamer Stadtgebiet, schwindende Orte und
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum braucht es diese niedrigschwelligen Angebote. Der Bedarf
an pädagogisch begleiteten Jugendorten wird sich weiter erhöhen, wenn in den kommenden Jahren
die geburtenstarken Jahrgänge in den Einrichtungen der Jugendarbeit ankommen.
Liste Nr. 59-61; 65; 74 Kürzung Bibliothek, Musikschule, Kultur- und Bildungspass
Ebenso treffen die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Musikschule, Bibliothek und dem Kultur- und
Bildungspass die ohnehin schon benachteiligte Gruppe der Kinder und Jugendlichen am stärksten. Die
hier genannten Angebote ermöglichen Teilhabe- und Bildungschancen für sozioökonomisch
benachteiligte Kinder und Jugendliche, die diese in Zukunft schlicht nicht mehr erhalten. Der Schaden
für diese Kinder und Jugendlichen und damit auch für die zukünftige Stadtgesellschaft, ist gar nicht zu
beziffern und muss dringend verhindert werden.
Liste Nr. 73 Kürzung institutionelle Förderung sozial- und gesundheitsfördernder Maßnahmen
Auch die Angebote der Gesundheitsförderung sind von den Sparmaßnahmen betroffen.
Vorgeschlagen wird, den Beschluss zur institutionellen Förderung zurückzunehmen, was
perspektivisch zu einer Reduktion der Angebotsvielfalt führen wird. Die Projekte im Bereich
Gesundheit und Soziales leisten unverzichtbare präventive Aufgaben (Armutsprävention, Trauerarbeit,
Prävention und sexuelle Gesundheit, seelische Gesundheit, Bewegung) für Kinder und Jugendliche in
Potsdam. Eine Weiterführung der jährlichen Projektförderung erzeugt Unsicherheit und Druck unter
den Angeboten, die um Mittel konkurrieren müssen, die ohnehin schon knapp bemessen sind und bei
den zurückliegenden Nullrunden aufgrund steigender Kosten bereits jetzt zu einer Reduktion des
Angebots führen. Sollte dieses Angebot weiter reduziert werden, führt das zwangsläufig zu zukünftigen
Mehrausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe.
Liste Nr. 75-76 Kürzung Nachbarschafts- und Begegnungshäuser
Ebenso erwähnt sei die Strahlwirkung der Nachbarschafts- und Begegnungshäuser auf die Potsdamer
Familien und deren Teilhabechancen. Die Häuser erfüllen eine wichtige und unverzichtbare
Lotsenfunktion zwischen Stadtteilarbeit, Vermittlung ins Hilfesystem, Jugendhilfe und Soziales und
sind aus den Nachbarschaften nicht wegzudenken. Indem sie Ansprechbarkeit und Angebote für
Familien bereitstellen, ermöglichen sie auch Teilhabe für die Potsdamer Kinder und Jugendlichen.
Liste Nr. 102 Kürzung Schülerticket
Eine Rücknahme des Schülertickets verdoppelt die Kosten für die Kinder und Jugendliche im ÖPNV.
Sozioökonomisch benachteiligten Kindern und Jugendlichen wird die Teilhabe an Mobilität erschwert
und ihr Bewegungsradius im Potsdamer Stadtgebiet deutlich eingeschränkt.
Zusammengefasst haben die Einsparvorschläge Folgen in einer Tragweite, die heute noch gar nicht
begriffen werden können. Mit den Kindern und Jugendlichen ist die Gruppe der Potsdamer
Stadtgesellschaft betroffen, die zu schützen unsere wichtigste Aufgabe ist (siehe UN-
Kinderrechtskonvention) und für eine kinderfreundliche Kommune an erster Stelle stehen sollte. Die
genannten Angebote ermöglichen Information, Hilfestellung, Intervention, Prävention, Bildung,
Mobilität aber auch einfach eine chancengleiche Teilhabe von nicht nur sozioökonomisch
benachteiligten Kindern und Jugendlichen an einer Stadtgesellschaft. Die präventiven und
intervenierenden Angebote verhindern künftige Krisen in den Potsdamer Familien und reduzieren
zukünftige Kosten für ambulante und stationäre Jugendhilfeangebote. Besonders in Krisenzeiten
dürfen wir nicht wieder die Kinder und Jugendlichen aus dem Blick verlieren, sondern müssen sie fördern und solidarisch unterstützen, um auch zukünftig in einer lebendigen, gesunden und demokratischen Stadtgesellschaft miteinander zu leben.
Potsdam, den 13.12.2024
Erstunterzeichner:innen:
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Kontakt: info@potenzialfuerpotsdam.de
www.potenzialfuerpotsdam.de
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